Im September ist Bundestagswahl. Zumindest sieht zur Zeit alles danach aus. Vielleicht ein paar Wochen später als geplant, aber irgendwann im Herbst auf jeden Fall. Alle Parteien stürzen sich kopfüber in den Wahlkampf und sobald der Wahltermin fest steht, geht die Party erst so richtig los.
Doch mit welchem Wahlergebnis ist zu rechnen? Zur Zeit sieht es laut Infratest dimap in etwa folgendermaßen aus (14. Juli): 27 Prozent für die SPD (Tendenz leicht steigend), 42 Prozent für die CDU/CSU (Tendenz sinkend), 9 Prozent für die Grünen (Tendenz steigend), 8 Prozent für die FDP (Tendenz steigend) und 11 Prozent für das Bündnis aus WASG und PDS. 3 Prozent entfallen auf die sonstigen Parteien.
Bleibt es bei diesem Ergebnis, könnte eine schwarz-gelbe Koalition mit einer recht knappen Mehrheit regieren – abhängig dürfte die exakte Mehrheit dann von diversen Überhangmandaten sein. Doch was passiert, wenn der Trend sich so fortsetzt? Stellen wir uns vor, die WASG trommelt noch ein bisschen, Oska Lafontaine wirft weiter mit Schlamm und auch die SPD schafft es wieder, ein paar Leute auf ihre Leute zu ziehen (indem sie ihnen unter die Nase reibt, welchen Leuten die CDU/CSU das Geld aus der Tasche ziehen will – richtig, den kleinen Leuten, die leider ganz, ganz viele sind).
Ein realistisches Ergebnis könnte also sein: 30-32 Prozent für die SPD, 7-9 Prozent für die Grünen, 38-40 Prozent für die CDU/CSU, 6-8 Prozent für die FDP, 12-14 Prozent für WASG/PDS. Wie sind nun die Mehrheitsverhältnisse? SPD+Grüne kommen auf knapp unter 40 Prozent, CDU/CSU+FDP schrammen knapp an der Mehrheit vorbei. Auch eine Ampel-Koalition bekommt keine Mehrheit zustande.
Doch ist die WASG koalitionsfähig? Mit der SPD bestimmt nicht. Dafür sitzen in ihren Reihen zu viele enttäuschte SPD-ler, die mit ihrer alten Partei nichts mehr zu tun haben wollen und dort außerdem teilweise recht unbeliebt sind, allen voran Oskar. Mit der CDU/CSU? Dafür sind die Gegensätze zu groß. Letztendlich wurden hier also nur Stimmen eingefangen, um eine halbwegs gute Rolle in der Opposition zu spielen. Das ist zwar im Sinne der Demokratie durchaus sinnvoll, aber der Mehrheitsfindung dient es nicht. Letztendlich war es zwar schon lange wünschenswert, dass das bisherige System im Bundestag aus den zwei großen “Volksparteien” und zwei bzw. maximal drei kleinen “Anhängseln” aufbricht, doch auf diese Art und Weise hätte es sich wohl kaum jemand gewünscht.
Nun, was bleibt? Die große Koalition natürlich. Doch will das wirklich jemand? Die Unterschiede zwischen der SPD und der CDU/CSU sind ja jetzt schon kaum noch spürbar – von ihren ursprünglichen Idealen sind beide Parteien recht weit abgerückt, um “massentauglich” zu sein. Doch was wird der Wähler sagen? Ich würde mir, ehrlich gesagt, einfach verarscht vorkommen. Letztendlich ist es dann ja scheißegal, wen man eigentlich wählt, das Ergebnis ist vorhersehbar. In der großen Koalition regiert dann nicht der, den man für das “kleinere Übel” hält, sondern die Kombination sämtlicher Nachteile. Die Politiker werden sich gegenseitig darin überbieten, der anderen Seite Zugeständnisse zu machen (also Einschnitte bei der eigenen Zielgruppe zu dulden), um irgend eine Kleinigkeit durchzudrücken, die sie sich auf die Fahnen schreiben und mit der sie prahlen können.
Vielleicht wird es aufwärts gehen mit unserem Land in der Zeit, vielleicht auch nicht. Eine große Koalition muss ja nicht zwingend schlecht sein, siehe 1966-1969. Doch ist sie zur Zeit sinnvoll? Keine der beiden beteiligten Parteien kann sich dann hinterher herausreden (“Wir haben nichts gemacht, das waren die anderen alleine!”), so wie es die CDU beim Thema Hartz IV so gerne macht – obwohl die Umsetzung des Konzeptes ohne die Zustimmung der CDU niemals möglich gewesen wäre. Andererseits bekommt der durchschnittliche Wähler dann Probleme mit der bisherigen Wahltaktik:
Passiert im Laufe einer Legislaturperiode irgend etwas schlechtes für den einzelnen Wähler, ist die aktuelle Regierung schuld. Es wird dann aus Enttäuschung, Rache und Protest die jeweils andere Seite gewählt – auch wenn eigentlich sie genau dieses Gesetz, was sich so auswirkte, in der vorletzten Legislaturperiode beschlossen hat. Das ist dem Wähler egal. Somit wechselt die Regierung im schlimmsten Fall alle vier Jahre. Wenn nun eine große Koalition gebildet wird und recht flott tiefe Einschnitte bei großen Teilen der Bevölkerung vornimmt (wovon auszugehen ist, denn erstens ist es notwendig, zweitens ist ja weder im Bundestag, noch im Bundesrat mit großen Widerständen und ewigen Debatten zu rechnen – das meiste wird wohl innerhalb der eigenen Reihen inoffiziell geklärt), wird die Truppe der Protestwähler in vier Jahren vor einem Dilemma stehen. Keines der beiden großen Lager ist dann mehr wählbar.
Weder die Grünen, noch die FDP, noch die WASG/PDS werden für jeden wählbar sein. Also wird es ein Problem geben. Je 20 Prozent für jede der fünf Gruppen – das wäre doch mal ein interessantes Wahlergebnis. Es müssen sich dann immer drei zusammenschließen, um eine Mehrheit zu haben. Eine Koalition aus zwei Parteien sorgt ja schon für genug Streit, doch drei? Die werden sich ja nie einig – man sieht ja die Streitigkeiten bei diversen Versuchen der Ampel-Koalition.
Es dürfte also sehr spaßig werden, spätestens in vier Jahren, vielleicht auch schon im September. Was ist, wenn viele Leute auf die selben Gedanken kommen wie ich oben im Text und einfach die Schnauze voll haben – und nicht mehr wählen gehen? Es werden die Parteien stärker, die ihre Anhänger am besten mobilisieren können. Das sind die Radikalen – sowohl links, als auch rechts. Ich möchte jetzt keine braune, stinkige Soße heraufbeschwören, aber unmöglich ist nichts. Hat jemand verlässliche Daten zum Rechtsbündnis aus NPD und DVU? Planen die einen großen Wahlkampf? Schaffen sie bei ausreichend geringer Wahlbeteiligung (weniger als 50 Prozent wären ja durchaus realistisch, wenn die Politikverdrossenheit weiter um sich greift und am Wahltag gutes Wetter ist) die Fünf-Prozent-Hürde oder gewinnen vielleicht ein Direktmandat in Sachsen? Braune Schreihälse im Bundestag, das wäre doch was.
Nun ja, wir werden sehen, was passiert. Ich denke, die nächsten Monate werden für alle politisch interessierten Menschen eine recht interessante Zeit werden. Leider wird die Wahl von genau den anderen Menschen entschieden – von der großen, breiten Masse (merke: das Volk ist dumm), der die Politik am Arsch vorbei geht. Ich denke, hier ist ein Zitat von Rosa Luxemburg angebracht:
“Unpolitisch sein heißt politisch sein, ohne es zu merken.”
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